Südlich von Paris wartet das Paradies. Der Wald von Fontainebleau beherbergt das größte und beste Bouldergebiet dieses Planeten. Doch es ist nicht allein der perfekte graue Sandstein, der Jahr für Jahr Kletterer aus aller Welt anlockt. Bleau hat weit mehr zu bieten als harte Züge: Bleau ist ein Mythos und ein Ort voller Magie.
Steffen Kern (www.klettern.de) 9. Dezember 2009
Es ist bereits dunkel, als wir nach über acht Stunden Fahrt endlich am Campingplatz La Musardière ankommen. Müde und erschöpft bauen wir nur noch schnell unsere Zelte auf und verkriechen uns sofort in unsere Schlafsäcke. Die Vorfreude ist bei allen groß – endlich dürfen wir selbst im „besten Bouldergebiet dieses Planeten“ klettern, das wir schon aus so vielen Filmen, Zeitschriften und Erzählungen kennen.
Am nächsten Morgen muss als erstes noch das Auto fertig ausgeladen werden, während ein Teil von uns schon das Frühstück vorbereitet. Beim Frühstücken wird dann gemeinsam der Bleau en Bloc Führer studiert und wir einigen uns darauf heute direkt zum Cul de Chien aufzubrechen.
Nach einem kurzen Einkaufsstopp und einem mehr oder weniger verplantem Besuch im Decathlon, erreichen wir – mit reichlich Baguette und Fromage im Gepäck – den Parkplatz in Noisy-sur-École.
Bei den Boulderfelsen angekommen wiederholen wir nochmal alles Wichtige zum Thema spotten, Sicherheit und den richtigen Umgang mit den Crashpads, bevor die Kids dann schließlich die ersten kleinen Felsen erklimmen um von oben in allen möglichen Variationen auf die Pads zu springen, während sie von den anderen zur Übung gespottet werden.
Im Anschluss machen wir einen Großteil des orangen Parcours, aber auch einige sehr schöne Einzelboulder die wir auf dem Weg finden. Der weiche sandige Untergrund, die riesige Auswahl an schönen Bouldern in allen Schwierigkeiten und das super Wetter machen diesen Tag zu einem perfekten ersten Bleau-Erlebnis für die Kids!
Am Abend bauen wir unser Lager fertig auf: Es gibt jetzt eine Slackline, einen überdachten Bereich, eine Holzbank und zwei große Kabeltrommeln die wir auf dem Platz gefunden haben und als Tische verwenden. Außerdem haben wir noch eine Campingküche mit Regalsystem und eine Wäscheleine, an die wir unsere Campinglaternen hängen. Dieses Lager direkt unter den herbstlichen Laubbäumen ist mit Sicherheit das coolste das wir bisher hatten!
Am nächsten Tag wollen wir ein etwas unbekannteres Gebiet aufsuchen, an dessen Namen ich mich leider nicht mehr erinnere. Nachdem wir die falschen Koordinaten ins Navi eingegeben haben und erst nach 30 Minuten merken, dass irgendwie schon lange kein Wald mehr in Sicht ist und auch unser Tank langsam leer wird, machen wir uns erstmal auf die Suche nach einer Tankstelle, am besten eine die auch die UTA Karte akzeptiert mit der wir unseren Stattauto-Bus auftanken können. Leider ist heute ein Feiertag und nachdem die dritte Tankstelle in Folge geschlossen hat und wir schon seit einigen Kilometern auf Reserve fahren, werden wir langsam etwas unruhig. Also erstmal anhalten und darüber rätseln wie weit wir mit unserem Tank noch kommen, mal den Tankdeckel aufschrauben und das Auto hin und her wackeln um eventuell zu hören wie viel da noch drin ist und dann doch einfach weiterfahren und hoffen dass die nächste Tankstelle offen hat… Zum Glück hat sie offen und es wird sogar unsere UTA Karte akzeptiert!
Als wir dann über eine Stunde verspätet unser Ziel erreichen geht es sofort wieder los mit der Sucherei. Wo könnte wohl der Boulder mit der gelben Eins zu finden sein? Irgendwo soll ein großer Fels direkt am Weg sein, von wo aus man dann nach Links auf einen schmalen Pfad abbiegen soll um dann in einigen Metern den ersten Block des gelben Parcours zu finden. Felsen und Pfade gibt es hier jede Menge, trotzdem finden wir unser Ziel irgendwann und können endlich mit dem Klettern beginnen.
Hier ist die Atmosphäre ganz anders als am Tag zuvor beim Cul de Chien. Das Gebiet liegt total abgelegen im Wald und wir sind den ganzen Tag die einzigen Kletterer dort. Ich war schon zu jeder Jahreszeit in Bleau und der Wald hat zu jeder Zeit seinen besonderen Reiz, im Herbst, wenn sich die Bäume goldgelb färben und der Boden mit Laub bedeckt ist, finde ich ihn aber am schönsten!
Auf dem Rückweg zum Campingplatz fällt Simon noch ein Gebiet direkt an der Straße auf, das nicht in unserem Führer zu finden ist, das wir aber schon zwei Monate zuvor durch Zufall entdeckt haben, als wir ohne unsere Jugendgruppe zum Bouldern hier waren. Hier verbringen wir den restlichen Abend, bis wir absolut nichts mehr sehen können und auch unsere Stirnlampen nicht mehr ausreichen um alles gut auszuleuchten.
Wieder am Campingplatz angekommen wird noch gemeinsam gegessen und gespielt, bis alle so müde sind dass sie sich freiwillig in die Zelte zum Schlafen zurückziehen.
Am nächsten Tag soll es wieder ein Klassiker sein und wir entscheiden uns schließlich für das Gebiet Éléphant in Larchant. Hier gibt es wieder reichlich Sonne, große Sandflächen und einige der besten Boulder die ich in Bleau bisher kenne. Bevor wir in Richtung Larchant fahren holen wir uns noch reichlich Croissants und Pain au chocolat bei unserem Lieblingsbäcker in Milly-la-Forêt.
Am Éléphant angekommen stürzen wir uns direkt auf die ersten Probleme. Es gibt hier wirklich ausgefallene Boulder, einer besser als der andere und fast immer auf sandigem Untergrund, sodass man oft gar kein Crashpad benötigen würde.
Nach zwei bis drei Stunden sind die Kids so gut eingeklettert, dass sie auch Boulder bis zum Grad 6b gut hochkommen – was in Bleau schon echt eine Nummer ist! Am Ende des Tages machen wir noch ein paar Versuche im Klassiker Le Cœur (7a), dessen Herzförmigen Griff wohl jeder schon mal als Nachbau in einer Boulderhalle gesehen hat.
Zurück am Campingplatz wird noch ausgiebig geslacklinet und im Anschluss gemeinsam gekocht und zu Abend gegessen.
Am nächsten Tag – leider schon wieder unserem letzten Klettertag in Fontainebleau – wollen wir ins Gebiet Rocher Fin fahren, das Simon und ich bei usnerem letzten Bleau-Besuch schon mal ausgekundschaftet hatten, als wir beim nahe gelegenen Diplodocus unterwegs waren. Rocher Fin liegt wunderschön auf einem Hügel und die Boulder liegen teilweise im Wald, teilweise aber auch auf Sandflächen. Unser Ziel ist es an diesem Tag nochmal einen kompletten Parcour zu schaffen und wir starten direkt mit der gelben Eins.
Die meisten Boulder schaffen die Kids recht schnell, bei einigen muss man aber auch erstmal auf die Lösung kommen. In Bleau machen oft kleine Details den Unterschied und oft weiß man gar nicht so genau warum es auf einmal geht, obwohl der Boulder beim ersten Versuch noch unmöglich schien. Mit Kraft allein kommt man hier nicht weit, man muss genau darauf achten wie man steht, wo der Schwerpunkt ist und wie man die Griffe richtig belastet.
Die gelbe 13 stellt eine besondere Herausforderung für die Kids dar. Hier brauchen sie über eine Stunde um die richtige Lösung zu finden, am Ende schafft aber jeder den Ausstieg.
Nachdem gut die Hälfte des Parcours geschafft ist, machen wir erstmal Pause und essen unsere typische Fontainebleau-Verpflegung: Croissants, Camenbert, Baguette und heute zusätzlich noch den kompletten Macaron Vorrat des Bäckers in Milly-la-Forêt.
Nach unserer Pause treffen wir Jan Hojer, der hier alleine unterwegs ist und einen schweren Boulder nach dem anderen wegzieht. Als er sich kurz ausruht sprechen die Kids ihn an und holen sich Autogramme von ihm. Wirklich ein sympathischer Typ der Jan!
Kurz bevor es dunkel wird kommen die Kids beim Arrivée, dem letzten Boulder des Parcours, der mit einem gelben A gekennzeichnet ist, an. Dieser spitze Boulder soll wohl den „Gipfelsieg“ am Ende des Parcours darstellen und wurde sicher Bewusst als letztes Problem ausgewählt.
Auf jeden Fall war der Tag für alle nochmal ein voller Erfolg und sicher ein schöner Abschluss für unsere Bleau-Tour und die Klettersaison in diesem Jahr. Nächstes Jahr kommen wir sicher wieder, vielleicht sogar im Frühling und im Herbst!