Reif für die Insel
Diesen Sommer soll es quer durch Großbritannien gehen – wir wollen Bergsteigen im Snowdonia Nationalpark und den schottischen Highlands, Tradklettern im Peak District, Kanufahren auf Loch Lomond und Surfen an den weißen Sandstränden von Tiree. So haben wir uns das bei der Planung vorgestellt, sozusagen die komplette Großbritannien-Outdoor-Experience!
Mit sieben Kindern und zwei Jugendleitern starten wir in unserem bis zum Anschlag vollgeladenen Neun-Sitzer-Bus von München in Richtung Ärmelkanal – der ursprüngliche Plan, mit dem Zug zu fahren, wäre leider unbezahlbar gewesen. In Dünkirchen angekommen machen wir es uns abseits vom Hafen einfach mit unseren Schlafsäcken und Isomatten bequem, um nach der langen Fahrt etwas zu schlafen und am nächsten Morgen die Fähre nach Dover zu nehmen. Versteckt hinter unserem großen Bus werden wir von keinem französischen Hafenarbeiter gefunden und können uns ein paar Stunden ausruhen.
The White Cliffs of Dover
Am Hafen werden wir von den englischen Grenzbeamten genaustens kontrolliert und gefragt, was wir mit den ganzen Kindern eigentlich auf ihrer Insel vorhaben – man merkt, dass das Vereinigte Königreich nicht mehr Teil der EU ist. Letztendlich schaffen wir es aber dann doch noch aufs Schiff und dürfen einreisen.
Nur wenige Minuten nach dem Ablegen lassen sich vom Deck aus bereits die weißen Klippen von Dover erkennen und wir sind froh, dass wir die Anreise mit der Fähre gewählt haben und nicht den Eurotunnel. So ist das auf jeden Fall die authentischere Alternative um nach England zu reisen (und die günstigere)!
Je näher wir an die englische Küste kommen, desto grauer wird der Himmel. Kurz vorm Hafen werden wir dann, wie es sich gehört, vom britischen Regenwetter in Empfang genommen. Zum Glück soll dieser Schauer aber einer der ganz wenigen in den nächsten Wochen bleiben.
Unter Deck finden wir einen Geldautomaten und lassen uns dazu verleiten, sicherheitshalber gleich mal ein paar Pfund abzuheben. Der Automat wirbt damit, dass das Abheben nur ca. zwei Euro Gebühren kostet, verschweigt aber den unterirdisch schlechten Wechselkurs – das werden wir allerdings erst an Land bemerken, sobald wir wieder Internet haben und den Kurs nachrechnen können…
In Dover angekommen rollen wir mit unserem Bus vom Schiff und direkt hinein in den britischen Linksverkehr! Auf der Suche nach einem Pub mit englischem Frühstück erkunden wir die Stadt, fahren links herum durch Kreisverkehre und gewöhnen uns daran auf der falschen Seite der Straße unterwegs zu sein. Bald finden wir ein Lokal, wo wir uns mit reichlich Baked Beans, Eiern, Tomaten und sowas wie Kartoffelpuffer stärke können, bevor es am gleichen Tag noch weiter nach Wales, in den Snowdonia Nationalpark gehen soll.
Wales
Es dämmert bereits, als wir den Snowdonia Nationalpark in Wales erreichen. Die untergehende Sonne verleiht der immer wilder werdende Landschaft eine mythische Aura und man kann sich gut vorstellen, wie hier vor hunderten Jahren die vielen Geschichten von Drachen, Merlin dem Zauberer und Excalibur entstanden sind!
Langsam wird es Zeit zu schlafen, wir können aber keinen geeigneten Platz finden. Im ganzen Nationalpark gibt es anscheinend nur einen Parkplatz, auf diesem wird man aber direkt von einem riesigen Übernachten-Verboten-Schild begrüßt. Wir wollen uns nicht gleich am ersten Tag mit walisischen Park-Rangern anlegen und entscheiden uns dazu, einfach auf dem Gipfel des Snowdon zu biwakieren. Der Snowdon ist mit seinen 1085 Metern der höchste Berg in Wales und nach Ben Nevis, in den schottischen Highlands (da wollen wir auch noch hin!) der zweithöchste Berg Großbritanniens. Einen 1085 Meter hohen Gipfel trauen wir uns auch um 11 Uhr nachts noch zu, das ist ja nur ungefähr so hoch wie die Albert-Link-Hütte. Wir essen etwas Schokolade und Kekse zu Abend und packen unsere Biwakausrüstung zusammen.
Über den Ranger Path geht es erst mal ohne Stirnlampen den gut ausgetretenen Pfad entlang. Wir wollen potenziellen Rangern möglichst aus dem Weg gehen und die Frage vermeiden, was wir mit einer Gruppe Kindern um Mitternacht am höchsten Berg von Wales vorhaben… Als der Weg schließlich steiler und felsiger wird, schalten wir unsere Lampen aber lieber doch ein.
Irgendwann wird es ganz schön windig, es fühlt sich so an, als würden wir gleich weggeweht werden! Davon hat man im Tal noch gar nichts gemerkt. Vielleicht kommt das davon, dass der Snowdonia Nationalpark praktisch direkt an der Irischen See liegt und dass es im ganzen Park so gut wie keine Bäume gibt, die dem Wind irgendwas entgegensetzen könnten. Wenigstens sehen wir schon den Gipfel, es lässt sich im Dunkeln aber nur schwer abschätzen, wie weit es noch ist…
Irgendwie kommt der Gipfel nicht näher, aber wie lange kann das schon dauern bei einer Höhe von nur 1085 Metern? Auf der Alpenverein-Aktiv-Karte sieht es auch nicht mehr weit aus, sollte also bald geschafft sein…
Wir erreichen die Kuppe, von der wir dachten, sie sei der Gipfel. Hier ist es sehr windig, noch windiger als vorher, wo wir fast weggeweht wurden… Bis zum richtigen Gipfel ist es aber wohl noch ein Stück weiter. Die ersten Kinder haben inzwischen nicht mehr ganz so viel Lust wie am Anfang unserer kleinen Wanderung.
Es ist jetzt nicht mehr ganz so steil, dafür umso windiger. Wir bewegen uns auf einem flachen Rücken immer weiter dorthin, wo der Gipfel sein sollte. Wenn es so windig bleibt können wir hier vermutlich nicht schlafen…
Irgendwann stoßen wir auf Gleise, die müssen wohl zur Snowdon Mountain Railway, der einzigen Zahnradbahn Großbritanniens, gehören und sollten uns direkt zum Gipfel führen, wo es hoffentlich sowas wie einen kleinen Bahnhof geben wird, der uns Schutz vor dem Wind bietet.
Tatsächlich erreichen wir wenig später den echten Gipfel und tatsächlich gibt es hier sowas wie einen Bahnhof, der uns Schutz vor dem Wind bietet! Wir treffen hier sogar auf zwei Engländer, die sich sicher wundern, woher um 3 Uhr nachts auf dem höchsten Gipfel in Wales auf einmal lauter Kinderstimmen herkommen – das ist sicher ganz schön gruselig!
Am nächsten Morgen werden wir von Touristenströmen geweckt, die hier entweder über einen der einfacheren Wege hochgewandert oder mit der Zahnradbahn gekommen sind. Um den vielen Fragen zu entgehen, ob wir wirklich hier oben geschlafen haben, flüchten wir auf den deutlich einsameren Nachbargipfel.
Tagsüber mit den ganzen Touristen in Turnschuhen wirkt der Ort leider gar nicht mehr so, als wäre man mitten in einem walisischen Märchen und wir sind froh, dass wir den Berg letzte Nacht fast für uns alleine hatten. Die Landschaft ist trotzdem beeindruckend und ganz anders als bei uns in den Alpen!
Peak District
Weiter geht es in Richtung Sheffield – raus aus Wales, rein nach England. Hier wollen wir im Peak District Tradklettern gehen. Tradklettern bedeutet „traditionell“ klettern, ganz ohne eingebohrte Haken, an denen man sich (nicht) sichern kann. Zum Glück haben wir unsere eigenen mobilen Sicherungsmittel dabei, die so lustige Namen haben wie „Friends“, „Camalots“, „Nuts“ oder „Cowbells“.
Einen Kletterführer haben wir allerdings nicht, nur den Namen einer kilometerlangen Wand, wo man angeblich ganz gut Tradklettern können soll. Die Wand heißt „Stanage Edge“, schon Robin Hood ist hier herumgeklettert und hat sich in einer Höhle hoch oben in der Wand vor dem Gesetz versteckt. Wir finden die „Robin Hood Cave“ nach längerem Suchen und mit der Hilfe eines YouTube-Videos und überlegen kurz, hier zu biwakieren. Irgendwie ist es dort aber ganz schön nass und ungemütlich.
Da wir uns nicht, wie Robin Hood, vorm Sherriff von Sheffield verstecken müssen, wählen wir die komfortablere Variante und spannen unser Tarp auf dem Parkplatz unterhalb der Wand auf. Am Morgen kommt ein Ranger mit seinem Geländewagen bei uns vorbei – hätten wir uns doch lieber in der Höhle verstecken sollen? Der nette Mann bittet uns aber nur, alles wieder so zu hinterlassen, wie wir es vorgefunden haben. Als JDAV-Gruppe ist das für uns natürlich sowieso selbstverständlich!
Direkt bei der Robin-Hood-Höhle sieht die Wand etwas zu einschüchternd und hoch aus, dafür, dass es hier keine eingerichteten Haken gibt… Wir machen uns deswegen auf den Weg zu den hinteren Ausläufern und hoffen, dass die Wand dort etwas niedriger wird.
Nach längerer Suche und einer kleinen Wanderung durch die blühende Heide finden wir schließlich mehrere geeignete Risse, an denen die Kinder gut das Platzieren der mobilen Sicherungen üben können.
Das Erlebnis ohne Kletterführer selbst die Umgebung zu erkunden, machbare Wege die Wand hinauf zu finden, sie komplett selbst abzusichern und die Felsen wieder in ihrer ursprünglichen Form zu hinterlassen hat etwas ganz Besonderes. Ganz unbeirrt von Schwierigkeitsgraden und Borhaken, die den Weg bereits fest vorgeben, kann man hier selbst kreativ sein und sich seine eigenen kleinen Abenteuer gestalten.
Loch Lomond
Unsere Reise führt uns weiter nach Norden, bis nach Schottland. Wir erreichen die Ufer des Loch Lomond – dem größten und angeblich auch schönstem See in Schottland – wieder erst, als es bereits dunkel ist. Wenigstens müssen wir uns bei der Auswahl unseres Biwakplatzes keine Gedanken mehr um Ordnungshüter machen, in Schottland ist draußen übernachten nämlich komplett legal! Nach längeren Irrfahrten irgendwelchen viel zu schmalen Bergstraßen hinauf finden wir schließlich einen schönen Platz direkt am Ufer des Sees, wo wir die Nacht verbringen können.
Nach einem leckeren Frühstück (Porridge mit getrockneten Früchten) entscheiden wir uns dazu, mit Kanus einige der Inseln zu erkunden. Schnell ist ein Kanu-Verleih ausfindig gemacht und nach einer kurzen Einführung kann es auch schon losgehen.
Was uns bei der Kanu-Einführung leider verschwiegen wurde ist, dass es auf den Inseln von Zecken nur so wimmelt. Nichts ahnend laufen wir barfuß durch das hohe Gras, klettern auf Bäume und erkunden die Inseln. Es geht sogar das Gerücht um, dass es in Schottland gar keine Zecken gibt! Als ein Kind frägt, was das alles für kleine Punkte an den Beinen sind, schauen wir aber dann doch lieber mal genauer nach und tatsächlich, die kleinen Punkte bewegen sich! Es sind aber auch ein paar größere Zecken (in allen Farben) mit dabei…
Sehr schnell geht es, diesmal lieber schwimmend über den Wasserweg, zurück zu unseren Booten. Beim Baden im See können wir einen Großteil der lästigen Blutsauger abschütteln, die restlichen werden später beim Umziehen gefunden. Kontaminierte Kleidung kommt, zusammen mit einer ordentlichen Ladung „Anti Brumm“, in eine große Mülltüte – darum kümmern wir uns dann später…
Ben Nevis
Nach einer sehr szenischen Fahrt durch die schottischen Highlands erreichen wir Fort William. Hier füllen wir erst mal unser Proviant auf. Laurin verdient sich in der Fußgängerzone ein paar Pfund mit seiner Tin Whistle dazu, indem er das schottische Volkslied „Loch Lomond“ zum Besten gibt. Jeder Schotte kennt die Melodie und manche singen sogar mit!
Am Abend geht es, das erste Mal seit über einer Woche, auf einen Campingplatz. Wir haben den Platz schon länger im Voraus reserviert, ansonsten hätten wir hier sicher auch einen schönen Biwakplatz gefunden. So können wir wenigstens mal duschen und an einem richtigen Tisch zu Abend essen. Schlafen werden wir aber auf der Campingwiese dann doch wieder unter freiem Himmel, weil wir zu faul sind unser Zelt aufzubauen…
Mit unserer Biwakausrüstung und Verpflegung für zwei Tage (wir haben uns Nudelsalat gemacht) geht es direkt vom Campingplatz aus in Richtung Ben Nevis. Ben Nevis ist mit 1345 Metern der höchste Berg im Vereinigten Königreich. Bekannt ist er bei Alpinisten vor allem wegen seiner vielen schweren Winterklettereien – wir nehmen aber einen vergleichsweise gemütlichen Weg.
Wir passieren den Halfway Lochan – einem See auf der Hälfte des Weges – und richten uns hier ein Materialdepot ein. Später wollen wir hier übernachten, aber erstmal geht es über immer alpiner werdendes Gelände hinauf in Richtung Gipfel. Auf dem Weg treffen wir auf viele unzureichend ausgerüstete Wanderer – einer sieht sogar so überfordert aus, dass wir ihm raten lieber umzukehren, als er uns nach dem Weg fragt. Er hat keinen Rucksack dabei und bei einem seiner Turnschuhe löst sich bereits die Sohle ab.
Am höchsten Punk des Vereinigten Königreichs angekommen gönnen wir uns eine ausgiebige Brotzeit und erkunden schließlich das recht große Gipfelplateau. Von hier kann man auch in einige der steilen Couloirs hinunterschauen, über die im Winter die Eiskletterer den Gipfel erklimmen.
Etwas später trifft dann der Wanderer ohne Rucksack und mit den kaputten Schuhen am Gipfel ein. Er kann gar nicht mehr gerade laufen und sieht so aus, als würde er jeden Moment umkippen. Ein paar Leute kümmern sich um ihn und versorgen ihn mit Wasser und Zigaretten – wir hoffen, dass er es wieder heil nach unten schafft…
Der Abstieg wird auch für uns recht anstrengend und wir sind froh, dass wir nur bis zu unserem Biwakplatz am Halfway Lochan müssen. Kurzzeitig zieht es etwas zu, insgesamt haben wir aber Glück und die Nacht wird warm und trocken. Am Ben Nevis ist das alles andere als selbstverständlich, an 300 Tagen im Jahr gibt es hier schlechtes Wetter!
Jetzt haben wir uns unseren Nudelsalat mehr als verdient! Unser Platz ist der schönste Biwakplatz den man sich nur vorstellen kann, direkt am See mit Blick auf die schottischen Highlands und kein Mensch hier außer uns! Da muss es doch irgendeinen Haken geben? Der Haken zeigt sich bei Sonnenuntergang: Tausende von Midges (kleine schottische Stechmücken) wollen an unser Blut! Richtige Midges-Wolken tun sich auf, fliegen uns in Ohren und Mund und hinterlassen kleine rote Punkte, wo sie uns gestochen haben… Zum Glück währt das Spektakel nicht allzu lange und gegen Ende der Dämmerung sind sämtliche Midges wieder verschwunden.
Nachts gibt es direkt in unserer Nähe einen Einsatz der Bergrettung. Mit mehreren Quads, Hunden und großen Suchscheinwerfern wird der Wanderweg abgesucht. Ob es um den Wanderer mit den kaputten Schuhen geht? Nach kurzer Zeit scheint es so, als hätten die Bergretter jemanden gefunden und es herrscht wieder Ruhe am Berg.
Tiree
Von Oban aus geht es mit der Fähre über den „Sound of Mull“ in Richtung Tiree, einer kleinen Insel der inneren Hebriden – hier wollen wir die letzte Woche unserer Sommertour verbringen.
Schon im Voraus hatten wir regen Austausch mit den Inselbewohnern, die uns erlaubt haben, unser Zelt auf ihrem neuen Campingplatz aufzustellen, der eigentlich erst nächste Saison eröffnet wird. Unsere einzigen Nachbarn sind das Huhn und die Schafe der Campingplatzbesitzer sowie ein paar schottische Highland-Kühe.
Wir erkunden die Insel etwas, bis es schließlich dunkel wird. Auf dem Rückweg in Richtung Campingplatz sehen wir auf einmal einen hellen grünen Blitz am Himmel. Was war das bitte??? Das sah nicht nach einem Meteoriten aus, also müssen es wohl Aliens oder geheime Experimente der schottischen Regierung gewesen sein, die man hier auf der abgelegenen Insel sicher gut durchführen kann. Wir werden vermutlich nie Antworten auf unsere Fragen bekommen…
Als wir wieder an unserem Platz ankommen, kommt der Besitzer zu uns und erzählt in stärkstem schottischen Akzent etwas, das sich für uns anhört wie „Watch out for the boar in the north tonight! You can’t normally see it this early in the year!“. Sollen wir uns vor dem Wildschwein im Norden in Acht nehmen? Wir sind etwas verunsichert… Ganz aufgeregt bekommen wir ein verwackeltes Bild auf seinem Handy gezeigt, können allerdings kein Wildschwein darauf erkennen. Nach mehreren gescheiterten Kommunikationsversuchen wird uns klar, dass „Bore“ die Abkürzung für „Aurora Borealis“ ist und dass wir uns keine Gedanken mehr um Wildschweine aus dem Norden machen müssen… Das erklärt auch den grünen Blitz am Himmel und die seltsamen Phänomene, die die Kinder beobachtet haben, als sie anscheinend ohne Stirnlampen beim Abspülen waren. Tatsächlich können wir die Nordlichter in dieser Nacht noch lange beobachten, bis es schließlich zuzieht und wir uns müde in unsere Schlafsäcke verkriechen.
Von den Besitzern unseres Campingplatzes bekommen wir am nächsten Tag eimerweise selbst angebaute Kartoffeln geschenkt. Wir machen mit den Kids aus, dass wir damit sowas wie Fish and Chips zubereiten können, wenn sie es schaffen, die Fische selbst zu fangen und auszunehmen. Eigentlich ernähren wir uns auf Tour rein vegetarisch, aber für ein Gericht mit Zutaten, die zu 100% lokal auf der Insel erworben wurden, können wir einmal eine Ausnahme machen. Vermutlich werden wir eh keine Fische fangen…
Erstmal wollen wir aber ein paar Felsen begutachten, die wir am Tag zuvor gefunden haben. Vielleicht kann man hier ja sogar etwas Tradklettern? Normalerweise ist die komplett flache Insel Tiree nicht gerade fürs Klettern bekannt – wir finden im Internet überhaupt keine Infos dazu und auch die Leute von der Insel wissen nicht, ob hier irgendjemand schon mal versucht hat zu klettern. Sind wir vielleicht die ersten?
Nach längerem umherirren finden wir einen vielversprechenden Riss, der nicht allzu bedeckt von Moos und Algen ist. Laurin und Jonas holen sich hier die Erst- und Zweitbegehung und noch dazu komplett selbst abgesichert! Die anderen Kids machen sich derweilen mit unseren Angeln auf den Weg, um Fische fürs Abendessen zu fangen.
Während wir die Route Free-Solo abbauen um unsere wertvollen Friends wieder zu bekommen (oben lässt sich kein Standplatz einrichten) fangen die Angel-Kinder auf einmal an zu schreien – haben sie tatsächlich etwas gefangen, oder hat ein Kind einen Angelhaken im Auge?
Als wir den Ort des Geschehens erreichen, haben die Kinder schon zwei Fische herausgezogen. Bei den nächsten Würfen mit der Angel beißt jedes Mal ein weiterer Fisch an. Nach ungefähr 20 Fischen machen wir schließlich Schluss, das sollte zum Abendessen gut reichen…
Während die eine Hälfte der Kinder Kartoffeln schält, bereiten die anderen die Fische vor. Irgendwann um 11 Uhr nachts ist das Essen dann fertig – das ist auf jeden Fall aufwendiger gewesen, als einfach Fish and Chips im Laden zu kaufen, schmeckt nach der ganzen Arbeit dafür aber auch 100x besser und wurde nie verpackt und irgendwo hin transportiert.
Am nächsten Morgen werden wir von der Sonne geweckt. Die Leute vom Campingplatz können gar nicht fassen, wie gut das Wetter zurzeit ist – anscheinend kommt das hier eher selten vor… Passend zum Sonnenschein haben wir heute geplant, an den weißen Sandstränden von Tiree Surfen zu gehen. Hier sieht es aus wie auf den Bahamas, nur ohne Palmen und dafür mit Kühen.
Unser Surflehrer kommt ursprünglich von den Kanaren und kann sich mit unseren Kids auf Spanisch und Englisch unterhalten. Die nächsten Tage lernen wir, wie man mit dem Surfboard paddelt, wie man Wellen bekommt und wie man aufsteht und Kurven fährt. Viel ist hier am Strand nicht los, wer kommt schon auf die Idee in Schottland surfen zu gehen?
Da wir die Neoprenanzüge die ganze Woche über behalten dürfen, erkunden wir damit die Küste, um einen geeigneten Ort zum Klippenspringen zu finden. Aus einem YouTube Video über die Insel wissen wir, dass das hier irgendwo ganz gut gehen muss. Nach einer ungefähren Wegbeschreibung von den Leuten der Surfschule (immer der Küste entlang und dann beim großen Vogelnest rechts abbiegen), finden wir schließlich die richtige Klippe (das Vogelnest war wirklich sehr groß).
Wir haben zwar die Info der Locals, dass man hier, zumindest bei Flut, sicher die acht Meter herunterspringen kann ohne den Boden zu berühren, trotzdem tauchen wir die Stelle sicherheitshalber erstmal ab… Besonders tief scheint es allgemein nicht zu sein, nur in der Mitte läuft der Boden trichterförmig zusammen und ist auf jeden Fall tief genug. Wir tasten uns langsam heran und springen von immer höheren Stellen, bis sich die ersten Kids schließlich trauen, von ganz oben zu springen. Es dauert nicht lange, dann werden auch die ersten Flips und Tricks gemacht.
Am Abend genießen wir noch ein letztes Mal einen der unglaublichen Sonnenuntergänge, bevor wir uns am nächsten Morgen auf den Rückweg in Richtung Festland machen werden. Da unser Campingplatz direkt am Nordwestlichen Ende der Insel liegt, geht die Sonne für uns immer schön über dem Meer unter.
An unserem letzten Tag in Schottland hören wir durch Zufall im Radio, dass Queen Elizabeth heute, nach 70 Jahren als Königin, in Schottland gestorben ist. Lange hätte es aber so oder so nicht gedauert, bis wir die Nachricht mitbekommen hätten: Überall sehen wir Bildschirme, auf denen Queen Elizabeth Tribut gezollt wird, sogar im Supermarkt auf der Kasse wird die Nachricht eingeblendet.
Auf unserem Rückweg durch Großbritannien stehen alle Fahnen auf Halbmast. Die schottische Bahnstrecke ist zum Großteil gesperrt (wegen des Transports der Königin von Schottland nach London) und wir bereuen nicht, dass wir mit dem Auto unterwegs sind. Im Radio läuft nur traurige Musik und als wir zum wiederholten Mal „Let It Be“ von den Beatles hören, wechseln wir auf unsere eigene, etwas aufmunterndere Playlist.
Die restliche Zeit besteht dann nur noch aus viel Fahrerei, Fähre (diesmal wurden wir beim Übernachten am Hafen von einem Hafenarbeiter erwischt) und nochmal viel Fahrerei, bis wir wieder in München ankommen.
Unsere Großbritannien-Tour hat die Gruppe richtig zusammengeschweißt – die Kinder erzählen nach über einem halben Jahr immer noch regelmäßig von ihren Erlebnissen dort und finden, dass diese Tour bisher die beste überhaupt war! Wir hatten total Glück mit dem Wetter, konnten oft an den abenteuerlichsten Orten biwakieren, haben viele nette Menschen kennengelernt, einiges über England, Schottland und Wales erfahren und super viele kleine und große Abenteuer erlebt!